die Gretchenfrage - wie soll eine Saison mit Geisterspielen finanziert werden
Was für eine Woche voller Meinungsverschiedenheiten und gegenseitiger Vorwürfe liegt hinter der Regionalliga Südwest. Angefangen hat alles mit dem Corona Lockdown der Bundesregierung, wonach der Spiel- und Trainingsbetrieb für den Fußball außerhalb der Profiligen bis 30.11.2020 aufgrund der erhöhten Infektionszahlen eingestellt wurde. Und schon taten sich die Gräben zwischen den Vereinen auf. Die unter Profibedingungen, in der vom DFB als höchste Amateurliga bezeichneten Spielklasse, arbeitenden Vereine wollten nun, dass die vierte Liga als Profiliga eingestuft wird, um auch wie in den ersten Ligen ohne Zuschauer weiter spielen zu können. Die Amateurvereine der Liga wehrten sich gegen die Geisterspiele, da diese ohne jegliches Fernsehgeld oder staatliche Unterstützung, einfach nicht zu finanzieren sind.
Dass die beiden noch im DFB-Pokal tätigen Vereine aus Elversberg und Ulm, ihre Spielpraxis nicht verlieren möchten, um im Dezember in der zweiten DFB Pokalhauptrunde eine sportliche Chance gegen Ihre eingespielten Profigegner zu besitzen, ist noch irgendwie nachvollziehbar. Warum aber der ein oder andere Vereine das finanzielle Wagnis ohne Zuschauereinnahmen, ohne Fernsehgeld und ohne staatliche Hilfe eingehen möchten, konnte auch in längeren E-Mail Diskussionen nicht erklärt werden.
Dass immer mal wieder die Regionalliga West, die als einzige der fünf Regionalligen weiterspielt, als Beispiel genannt wurde, kann nicht als Argument gelten, da die dort beheimateten Vereine vom Land Nordrhein Westfalen eine Gesamtunterstützung von 15 Mio. € erhalten. Das sind pro Verein der Regionalliga West durchschnittlich 715.000 €, während es in der Regionalliga Südwest keine staatlichen Hilfen aus den beteiligten Bundesländern gibt. Durch die staatlich verordnete Spielpause können die Festangestellten unserer Vereine in Kurzarbeit geschickt und die staatliche Hilfe von 75 % aus dem Novemberumsatz 2019 beantragt werden. Immerhin ein kleiner Ausweg aus dem Corona Dilemma.
Vor ein paar Wochen war die Meinung unter den Vereinen der Regionalliga Südwest in Bezug auf Geisterspiele noch ziemlich einheitlich. Jedem war klar, dass eine Saison ohne Zuschauer finanziell nicht zu stemmen ist und manche Vereine unweigerlich in die Insolvenz getrieben hätte. Kickers Offenbach war hier das Sprachrohr und schlug öffentlich Alarm, wenn weiter ohne oder mit den bestehenden Zuschauerbeschränkungen gespielt werden müsste (siehe nachfolgenden Auszug aus dem Kicker von Ende Oktober).
Dass nun gerade die Offenbacher, die Aufgrund Ihrer großen Fanbasis am meisten von Zuschauereinnahmen profitieren, sich öffentlich und vehement für eine Fortsetzung der Spielrunde ohne Zuschauer einsetzen, verstanden die wenigsten Vereinsvertreter der einzelnen Vereine. Die Art und Weise der Forderung über eine mögliche Spielfortsetzung während des Lock Down gefiel auch den zuständigen Gremien der Regionalliga GbR nicht. Am Samstag antwortete Ronny Zimmermann, als DFB Vizepräsident, in einer Pressemitteilung auf den öffentlichen Brief von Kickerspräsident Wagner
die Stellungnahme der Regionalliga Südwest im Wortlaut zum öffentlichen Brief von Kickerspräsident Wagner
Sehr geehrter Herr Wagner,
in einem offenen Brief an den Geschäftsführer der Regionalliga Südwest Sascha Döther vom 01.11.2020 erheben Sie zum einen Forderungen, zum anderen aber auch Vorwürfe, die wir nicht unerwidert lassen können. Diese betreffen im Wesentlichen die Entscheidung zur Absetzung der Spiele im November sowie unsere Haltung in der Diskussion darüber, ob die Regionalliga Südwest dem „Profisport“ zuzurechnen ist. Vor allem aber stellen sie die Arbeit von Herrn Döther in Frage, was wir nicht hinnehmen werden.
Sie fordern u.a., dass die Verantwortlichen der Regionalliga Südwest „auch an einem Samstag oder auch Sonntag (…) alles Erdenkliche tun“ um eine Entscheidung der zuständigen Ministerien einzuholen und sich in diesem Zusammenhang klar für den „Status Profisport“ einzusetzen. Darüber hinaus legen Sie anderen Teilnehmern der Regionalliga Südwest nahe, sich vom Spielbetrieb abzumelden, sollten diese zur Frage „Profisport“ eine andere Auffassung vertreten. Sowohl in der Form als auch in der Sache weisen wir diese Forderungen aus den folgenden Gründen zurück:
Es steht Ihnen nicht an, uns Vorgaben machen zu wollen, wann und auf welchem Wege wir Gespräche mit politischen Entscheidungsträgern zu führen haben. Als Präsidenten der in der Gesellschafterversammlung vertretenen Landesverbände sind wir – wie auch Herr Döther – erfahren genug, um zu wissen, wann der geeignete Zeitpunkt für Gespräche mit staatlichen Stellen ist. Und wir haben auch ein Gespür dafür, wann ggf. Zurückhaltung geboten ist, weil in einer ganz außergewöhnlichen Situation, in der in den Ministerien unzählige und darunter viele existentielle Fragen zu beantworten sind, die Belange einer Regionalliga, nicht die allerhöchste Priorität haben können. Insbesondere aber wissen wir, dass ein sachlich höflicher Umgangston auch in Drucksituationen weiterhilft. Diesen pflegt Herr Döther zu jeder Zeit, und zwar auch unter hoher Belastung; wir erwarten einen solchen auch ihm gegenüber.
In der Sache würde eine vorbehaltlose und undifferenzierte Forderung, die Regionalliga Südwest dem „Profisport“ zuzuordnen, zahlreiche Folgefragen aufwerfen, die jedenfalls wir in der Kürze der Zeit in ihrer Tiefe nicht durchdringen und auch nicht für alle Teilnehmer der Liga beantworten können. Diese betreffen das Steuer- und Gemeinnützigkeitsrecht sowohl mit Blick auf die Teilnehmer als auch die Trägerverbände, das Vereinsrecht bzw. der Rechtsformwahl, das Arbeitsrecht, Möglichkeiten der Förderung durch die öffentliche Hand, Auswirkungen auf die gesetzliche Unfallversicherungspflicht und anderes mehr. Die Antworten auf diese Fragen können nur unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse aller Teilnehmer – bei denen es sich teilweise um Kapitalgesellschaften, teilweise um gemeinnützige Idealvereine handelt – und nach eingehender Prüfung sachgerecht beantwortet werden. Dass sich die übrigen Teilnehmer der Regionalliga Südwest hier schon ganz unterschiedlich und deutlich abweichend zu Ihrer Argumentationslinie positioniert haben, ist Ihnen bestens bekannt. Wir respektieren Ihre, aber auch deren Argumente und sehen es als unsere Pflicht an, allesamt gewissenhaft zu prüfen.
Unsere Entscheidung zur Absetzung der Spiele im November 2020 ist Ihnen zugegangen. Wir hätten es begrüßt, wenn Sie nicht nur Ihre Forderungen, sondern auch die Begründung unserer Entscheidung, aus der hervorgeht, weshalb dieser Schritt bei Abwägung aller relevanten Aspekte erforderlich war, über Ihre Kommunikationswege transparent gemacht hätten. Wir sind uns sicher, dass dann auch Ihre Anhänger hätten nachvollziehen können, dass Ihre Vorwürfe unberechtigt sind, zumal Herr Döther Sie über alle Schritte nachweislich jeweils zeitnah informiert hatte. So vermittelt sich uns der Eindruck, dass Sie ganz bewusst ein einseitiges Bild zeichnen.
Nur der Vollständigkeit halber sei noch klargestellt, dass wir uns durch mediale Ausführungen weder in die eine noch in die andere Richtung drängen und unsere Entscheidungen nicht beeinflussen lassen.
Abschließend dürfen wir in aller Klarheit feststellen, dass Herr Döther unser volles Vertrauen als Geschäftsführer der Regionalliga Südwest genießt und wir es auch künftig nicht dulden werden, wenn er durch einseitige oder verzerrende Darstellungen – öffentlich – in Misskredit gebracht werden sollte. Er führt die Geschäfte der Regionalliga Südwest seit Jahren in ausgezeichneter Weise und erfährt höchste Anerkennung, wie wir aus zahlreichen Rückmeldungen anderer Teilnehmer der Regionalliga Südwest und weit darüber hinaus wissen.
Mit freundlichen Grüßen
REGIONALLIGA SÜDWEST GbR
Ronny Zimmermann
Vorsitzender der Gesellschafterversammlung
DFB-Vizepräsident
Im Namen der Präsidenten des wfv, SBFV, HFV, FVR, saarfv, SWFV
Nun ist erst mal Spielpause bis 30.11.2020. Da die Bundesländer Hessen. Baden Württemberg und Saarland die Regionalliga als Profiliga eingestuft haben, verdanken wir die Spielpause den Politikern aus Rheinland Pfalz. Sollte in diesem Bundesland bis 17.11. das Mannschaftstraining weiter untersagt bleiben, verlängert sich die Spielpause wohl bis Ende des Jahres. Wenn die dortigen Politiker aber Ihre Meinung ändern, könnte es durchaus sein, dass trotz weiter steigenden Infektionszahlen im Dezember der Spielbetrieb der Regionalliga Südwest wieder hochgefahren wird. Dann müssen die Vereine zusehen, wie sie die anlaufenden Kosten ohne Zuschauereinnahmen und staatliche Hilfen bestreiten können.
Wohl dem Verein, der vor der Saison die möglichen Einschränkungen aufgrund des Corona Virus in seinen Etatplanungen mit aufgenommen hat.